Wild Farmers: Wenn Bauernsöhne Baseball spielen

Wild Farmers: Wenn Bauernsöhne Baseball spielen

Erstligist aus Dohren schwört auf Bodenständigkeit und Gemeinschaftssinn

L P D – Landwirtschaft und Sport – das sind oftmals zwei Dinge, die sich vor allem früher, aber auch noch heutzutage, einander ausschließen. Zum einen fehlt aufgrund der vielen anstehenden Arbeit auf dem Hof die Zeit für ein sportliches Hobby, zweitens ist Hofarbeit an sich schon mit viel körperlicher Tätigkeit verbunden und drittens kam und kommt es auch heute noch vor, dass Eltern ihren Kindern gefährliche Sportarten untersagen, weil die für den Hof wichtige Arbeitskraft gerade in der Erntezeit nicht ausfallen darf. Doch im niedersächsischen 1.300-Seelen-Dorf Dohren – vor den Toren Hamburgs – wird seit mehr als 30 Jahren eine besondere Sportart geliebt und gelebt: Baseball. Die „Wild Farmers“ fingen einst mit einigen Landwirtssöhnen auf einem Acker mit einfacher Ausrüstung an, spielen heute in der Bundesliga und aktuell um die Deutsche Meisterschaft mit, berichtet der Landvolk-Pressedienst.

„Wenn man mit dem Trecker zum Training oder gar zum Spiel vorfuhr, staunte so manche gegnerische Mannschaft aus den Großstädten Berlin oder Hamburg und bekam große Augen“, erinnert sich Henrik Dallmann, bis vor kurzem Milchviehhalter von 120 Kühen mit Melkroboter und Direktvermarktung, jetzt Nebenerwerbslandwirt mit 60 Kühen, und immer noch aktiver Baseballspieler bei den Wild Farmers. „Aber nun in der Dritt-Liga-Mannschaft“, fügt der 42-Jährige schmunzelnd hinzu. Begeistert kam Ende der 1980-er Jahre die Landjugend von ihrer Fahrt ins Hamburger Kino vom Film „Indianer von Cleaveland“, in dem sich ein Haufen sportlicher Versager zu einer erfolgreichen Baseballmannschaft zusammenrauft, nach Dohren zurück, und alle waren sich einig: „Jau, das machen wir auch!“ Der Name musste englisch klingen, Landwirtssöhne sind dabei, alle kommen vom Land und das Autokennzeichen WL steht im Volksmund für „Wilde Landwirte“ – aus einer „Schnapsidee“ wurden also die „Wild Farmers“.

Gesagt, getan: Von einem Landwirt wurde eine brachliegende Fläche zur Verfügung gestellt. „Mit dem Grubber vom Opa und Frontlader haben wir die mit geeinten Kräften für unsere ersten Zwecke spielbar gemacht“, schildert Dallmann die anfänglichen Aktionen zur Umsetzung des aus Amerika stammenden Ballspiels im Dorf. Hemdsärmelig und unentgeltlich – wie es bei Bauern und auf dem Land üblich ist – ging‘s dabei nach dem Landjugend-Motto „einfach mal machen“ zur Sache. „Das macht uns bis heute aus. Wir haben nicht die Möglichkeiten wie die großen Vereine, das stärkt den Zusammenhalt“, sieht Dallmann auch den sportlichen Erfolg der 1990 gegründeten Wild Farmers verankert. Er hat den Sport geliebt, und sein Vater hat ihn unterstützt und während seiner aktiven Baseball-Zeit an den Wochenenden von der Hof- und Stallarbeit freigestellt.

Es sprach sich schnell herum: Baseball statt Fußball gibt es in Dohren. Die Kleinen eiferten den Großen nach – Stöcke dienten als Schläger, Kartoffeln auf dem Acker als Bälle, aus ballspielenden Kindern wurden Baseball-Spieler. Mit Mofas fuhren einst die Landjugendlichen nach Hamburg um Bälle, Keulen und Handschuhe zu besorgen. Nach und nach wurden Ausstattung, Mannschaft und Logistik professioneller – das ganze Dorf half dabei und unterstützt noch heute ehrenamtlich bei vielen Aufgaben. 2010 gelang der Aufstieg in die erste Bundeliga. Es sind vor allem die Familien Brunkhorst, Dallmann und Hassenpflug, die diesen „Spirit“ seit Beginn leben und viele Helferinnen und Helfer um sich scharen. Von den einstigen beiden Gründungslandwirtssöhnen spielt keiner mehr; Dallmann ist einer der letzten der Wild Farmer mit landwirtschaftlichen Wurzeln.

Das Team der 1. Herren in der Bundeliga besteht nun aus Spielern aus Dohren und der Region sowie einigen Profis. „Doch wir sind umringt von Landwirten und freuen uns, wenn wir als kleines Dorf die Baseballvereine aus den großen Städten ärgern können“, bestätigt Gründungsmitglied Bernd Sievers, der ebenfalls einst aktiv als Pitcher (Werfer) die Wild Farmers voranbrachte, und nun als Spartenleiter, Trainer und Spieler der 3. Herren die wilden Landwirte unterstützt.

Aktuell steht Dohren Kopf: Zum ersten Mal ist es der 1. Herrenmannschaft geglückt, den mehrfachen Deutschen Meister Heidenheim bei den Play-Offs im zweiten von vier Spielen zu schlagen. Vielleicht schaffen es die wilden Landwirte aus Dohren auch einmal Deutscher Meister zu werden – an Unterstützung aus dem Dorf und dem umliegenden ländlichen Raum mangelt es jedenfalls nicht. (LPD 59/2023)

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Silke Breustedt-Muschalla

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